Die im Dunkeln sieht man nicht

Die Tage sind kurz geworden – also heißt es selbst für Wege am Nachmittag: Licht an! Aber welches Licht darf es denn sein?

Ganze 978 Wörter benötigt die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO), um festzulegen, wie ein ordnungsgemäß ausgeleuchtetes Fahrrad auf bundesdeutschen Straßen daherzukommen hat. Zum Vergleich: Dieser Artikel kommt mit 480 Worten aus!

Bis es soweit kam, dass Radlern genau vorgeschrieben wurde, mit wie viel Watt (mindestens 3) und welcher Antriebsform (Dynamo oder Batterie) ihr Licht daherzufahren hat, gingen ein paar bürokratisch gänzlich ungezähmte Jahre ins Land. So fuhr der durchschnittliche Velolenker zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch mit Karbid-, Kerzen- und Ölbeleuchtung durch die Nacht. Kerzen und Öllampen kennen die Romantiker unter uns auch heute noch von Wohnzimmer- und Hollywoodschaukelgebrauch. Karbidlampen (Gaslaternen) sieht man hingegen fast nur noch im Fernsehen – als ehemalige Bergbaulampen. Sie sind erfreulich hell, rußen jedoch heftig. Wie deutsche Polizeibeamte bei einer Kontrolle auf derartiges Licht reagieren, ist nicht überliefert – der Vorschrift entsprechen sie jedenfalls nicht.

Auch wenn heute somit bergbaulicher Kreativität am Rad einiger Abbruch getan wird, so war insgesamt betrachtet früher vieles schlechter: Akkubetriebene Stecklichter waren lange verboten – das regelkonforme Rad hatte per Dynamobetriebenem Licht unterwegs zu sein!

Heute ist die StVZO überarbeitet und Batteriebeleuchtung erlaubt. Aber: Sie darf nicht blinken (das dürfen nur Einsatzfahrzeuge), und sie muss immer am Rad sein oder griffbereit mitgeführt werden! Nach dem Motto: Wer weiß schon so genau, wenn er eines sonnigen samstagmorgens um zehn Uhr zum Supermarkt startet, ob die Fahrradfahrt nicht doch in einer Clubnacht mündet. Und da ist man besser auch lichttechnisch auf alles vorbereitet.
Die hellste Kerze auf der Torte dürfen Radfahrer dennoch nicht haben. Zitat StVZO § 67 (3): „Scheinwerfer dürfen zusätzlich mit Tagfahrlicht- und Fernlichtfunktion für weißes Licht mit einer maximalen Lichtstärke und Lichtverteilung der Tagfahrlichtfunktion nach der Regelung Nr. 87 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE) – Einheitliche Bedingungen für die Genehmigung von Leuchten für Tagfahrlicht für Kraftfahrzeuge (ABl. L 164 vom 30.6.2010, S. 46) ausgerüstet sein.“

Ja nun, das heißt wohl übersetzt, Radfahrer dürfen sich keinen Flutlichtstrahler an den Lenker binden. ‚Sehen und gesehen werden‘, lautet ja auch der Merksatz – nicht zu verwechseln mit ‚blenden, was das Zeug hält‘. Merke: Spätestens wenn sich entgegenkommende Radfahrer nachts die Hand vor die Augen halten, darf der aufmerksame Radler das Licht ein bisschen herunter justieren.

Und für Hinten gilt: Da sich das Handzeichen der gehobenen linken Hand für „Ich halte jetzt an“ jenseits nerdiger Radfahrer-Foren noch nicht durchgesetzt hat, ist auch die relativ neu zugelassene Innovation des Fahrradbremslichts zuweilen praktisch, um unfreiwilligem Kontakt aus dem Weg zu gehen.

Pflicht ist ein Bremslicht nicht – wohl aber Reflektoren: vorne weiß, hinten rot und zusätzlich am Reifen oder an den Speichen angebracht. Reflektieren muss alles, was als Rad gilt – und mehr als 11 Kilogramm wiegt. (Leichtere Räder gelten als Sportgeräte, die sich nicht zum Zwecke des passiven Leuchtens beschweren lassen müssen.)

Fazit: Die Zeiten, wo Räder mit (schweren) Dynamos samt Lichtanlage unterwegs sein mussten, sind vorbei. Inzwischen kann jeder zugleich hell und unbeschwert leuchten: Licht an und gute Fahrt!

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